DSO und Circus Roncalli

Silvester­wunder

Aus Fehlern entstehen ja manchmal die wunderlichsten und schönsten Dinge. Und so ein Fehler passierte im Dezember des Jahres 2003. Das DSO hatte für ein Silvesterkonzert das Tempodrom gebucht, die Multifunktionsarena am Anhalter Bahnhof, die Konzerte und Musicals, Zaubershows, Snookerturniere und zahllose andere Veranstaltungen unter ihrem stilisierten Zirkusdach aus weißem Beton beherbergt. Dass der Saal allerdings zur gleichen Zeit dem Circus Roncalli für sein Weihnachtsprogramm versprochen war, fiel den Verantwortlichen erst kurzfristig auf. Was tun? Eine schnelle Lösung musste her, und die war so einfach wie folgenreich: »Dann machen wir eben etwas zusammen!«

Was aus der Not geboren war, wurde zum musikalischen Silvesterknaller, der seit 2003 immer wieder aufs Neue gezündet wird. Denn in der Ausgelassenheit des Jahreswechsels trifft seit damals aufeinander, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört, und das hat die schönsten Folgen: Weil das Orchester von der Philharmonie in die Manege wechselt. Weil symphonischer Orchesterklang und atemberaubende Akrobatik sich wechselseitig beflügeln. Weil die komischsten Melancholiker und die brillantesten Klangzauberer unter der Zirkuskuppel gemeinsam in eine grenzenlose Wunderwelt hineintanzen – in der sich Schönheit und Eleganz, Spannung und atemloses Staunen nahtlos ineinanderfügen.

Videos: Auszüge aus dem Silvesterprogrammen 2019/2020 (mit Cristian Măcelaru und Karen Gomyo) und 2018/2019 (mit Kevin John Edusei und Jeanine De Bique):

Silvester- und Neujahrskonzerte mit dem Circus Roncalli

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Silvester- und Neujahrskonzerte 2018|19

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Der Zirkus und die Musik

Schon im 18. Jahrhundert war Musik fester Bestandteil der Zirkuswelt – unter anderem in der Zurschaustellung virtuoser Wunderkinder, in den Mätzchen des Musikalclowns oder in Gestalt eines Akrobaten, der auf dem Rücken eines rasenden Rosses reitend ein Violinsolo geigte. Abseits derartiger Show-Effekte begann man aber erst im 20. Jahrhundert, Zirkuskapellen nicht nur als musikalische Kulisse, sonder gezielter einzusetzen: um die Wirkung einer Nummer zu verstärken, um Emotionen zu wecken, Stimmungen zu erzeugen – ganz so, wie es auch beim Aufkommen des Films geschah. Die Bandbreite der Einflüsse reicht dabei von der Tanz- und Filmmusik über die jeweils letzten Schlager bis hin zu Märschen aus Opern und Operetten. Und obgleich kaum eines dieser Werke tatsächlich für zirzensische Zwecke entstand, werden doch erst durch sie und mit ihnen die Magie des Augenblicks, die knisternde Spannung und die Atmosphäre atemlosen Staunens zum Leben erweckt, die auch heute noch die Zirkusbesucherinnen und -besucher verzaubert.

Video: Auszüge aus dem Silvesterprogramm 2017/2018 (mit John Wilson und Kim Criswell):

Silvester und Neujahr 2017|2018 mit dem Circus Roncalli

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Virtuosität und Brillanz

Meist kommt die Zirkusmusik heute von einer kleinen Kapelle, oft aber nur noch vom Band. Im Tempodrom sorgt jedoch gleich ein ganzes Symphonieorchester für den guten Ton, wenn das DSO und der Circus Roncalli zu ihren die Silvester- und Neujahrskonzertes zusammenfinden, die für viele Berlinerinnen und Berliner inzwischen fest zum Jahresprogramm gehören.

Am Dirigentenpult standen sowohl »alte Hasen« als auch junge Nachwuchskräfte, von denen einige nach ihrem erfolgreichen Zirkuseinstand später auch für Abonnementskonzerte des DSO wieder eingeladen wurden: Kent Nagano (2003 und 2005), Vladimir Jurowski (2004), Wayne Marshall (2005 als Dirigent und Pianist), Daniel Harding (2007), Pietari Inkinen (2008), Julian Kuerti (2009), Alexander Liebreich (2010), Alan Buribayev (2011), Giancarlo Guerrero (2012), Yutaka Sado (2013), Thomas Søndergård (2014), Alexander Shelley (2015), Martyn Brabbins (2016), John Wilson (2017), Kevin John Edusei (2018) und Cristian Măcelaru (2019).

Einige von ihnen hatten auch keine Scheu, selbst zu Akteuren des zirzensischen Geschehen zu werden. Denn wo, wenn nicht hier, kann ein Dirigent seinen Arbeitsplatz auf dem Rücken eines Pferdes erreichen und dabei, wie Kent Nagano bewies, auch noch eine gute Figur machen. Alan Buribayev musste sich aus Fesseln befreien. Und Yutaka Sado ließ es sich nicht nehmen, als Koch kostümiert dem Clown Gensi zu assistieren, bevor er zum Taktstock griff.     

Auch zahlreiche Solistinnen und Solisten haben das Silvesterpublikum im Tempodrom begeistert, darunter an der Violine Vadim Repin (2003), Daniel Hope (2007), Viviane Hagner (2010), James Ehnes (2014) und Karen Gomyo (2019) und am Violoncello Nicolas Altstaedt (2016). Die Sängerinnen Jocelyn B. Smith (2006), Measha Brueggergosman (2008), Salome Kammer (2009), Anne Sofie von Otter (2013), Kim Criswell (2017) und Jeanine de Bique (2018) sowie der Bassbariton Luca Pisaroni (2015) waren ebenso in der Manege zu Gast wie der Trompeter Sergei Nakariakov (2011) und der Harfenist Xavier der Maistre (2012).

2021/2022: Zurück in der Manege

Aufgrund der Pandemie konnten die Konzerte mit dem Circus Roncalli im vergangenen Jahr zum ersten Mal nicht stattfinden. Umso erfreulicher ist es, dass die großartige Tradition mit den zwei Konzerten am 31.12.2021 und dem Neujahrskonzert am 1.1.2022 zurückkehrt. Am Pult steht diesmal James Gaffigan, der neue Chefdirigent des Orquestra de la Comunitat Valenciana. Jess Gillam, die britische Saxophonistin, die mit viel frischem Wind durch die Konzertsäle der Welt wirbelt, musste ihren Auftritt aufgrund der Reisebeschränkungen leider kurzfristig absagen. Wir freuen uns sehr, dass wir mit dem Ersten Konzertmeister Wei Lu und dem Ersten Solo-Cellisten Valentin Radutiu zwei hochkarätige Solisten aus den eigenen Reihen für das Konzert gewinnen konnten. Für alle drei Termine sind noch Karten erhältlich. Kommen Sie ins Konzert und genießen Sie mit dem DSO und dem Circus Roncalli einen wunderbaren Silvestercocktail und ein poetisches Gesamtkunstwerk! Wir freuen uns auf Sie!