Warum um alles in der Welt sollte man hier und jetzt ein Orchester gründen? In Berlin, wo es doch an Klangkörpern nicht mangelt. In den Ruinen einer ausgebombten Stadt, von der noch kurz zuvor unaussprechliches Leid in die Welt getragen wurde. Und zu einer Zeit, die nach Kohlenmangel und Lebensmittelknappheit als »Hungerwinter « in die Geschichte eingehen sollte. Tatsächlich sind es ganz handfeste Gründe, und unmittelbar politische, die dazu führen, dass sich im Winter 1946/1947 ein paar Musiker »in einem kleinen, ungeheizten Raum im dritten Stock eines Hauses in der Kleiststraße « (Heinz Hoefs) zu ersten Proben einfinden. Schon bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs brechen die ideologischen Konflikte zwischen den Alliierten wieder auf, manifestieren sich ganz direkt im Alltag der besetzten Stadt. Als Gegenmodell zum sowjetisch kontrollierten Berliner Rundfunk entsteht 1946 unter US-Ägide der zunächst über das Telefonnetz (›Drahtfunk‹, DIAS), bald darauf drahtlos verbreitete ›Rundfunk im amerikanischen Sektor‹ (RIAS). Der neue Sender hat kein eigenes Archiv, aber Ambitionen und Musikbedarf, und so wird am 15. November 1946 die Gründung eines eigenen Orchesters beschlossen.
Rasch beginnt man zu proben, zunächst mit kleiner Besetzung und hoher Personalfluktuation, doch nur ein halbes Jahr später hat das RIAS-Symphonie-Orchester erste Gestalt angenommen. Die Stellen »beim Amerikaner« sind begehrt, auch für Musikerinnen und Musiker aus dem Ostteil der Stadt, und das liegt nicht nur an der warmen Mahlzeit, die zusätzlich zum Gehalt gereicht wird. Das erste Konzert dirigiert Walter Sieber, der Plakat zum ersten öffentlichen Konzert des DSO am 7. September 1947 Leiter der RIAS-Musikabteilung, am 7. September 1947 im Titania-Palast an der Schloßstraße in Steglitz.
Sein Programm – mit Beethovens Zweiter Symphonie, dem 1930 komponierten Klavierkonzert für die linke Hand von Ravel (mit der Solistin Alberte Brun) und der Deutschen Erstaufführung der Symphonie Nr. 1 von Richard Mohaupt, die 1940 im amerikanischen Exil entstanden war – steht beispielhaft für den kulturellen Neuanfang und die Ausrichtung des Orchesters. Auf Basis der lebendigen Musiktradition des 19. und dem Aufbruchsgeist des frühen 20. Jahrhunderts. Mit Musik, die während der Zeit des Nationalsozialismus verboten, deren Komponistund Interpret*innen verfemt, ins Exil getrieben oder ermordet wurden. Mit neuer Musik und Werken der jüngsten Vergangenheit, die oft erstmals in Berlin zu hören sind. Diesem Anspruch ist das RIAS-Symphonie-Orchester, das später Radio-Symphonie-Orchester Berlin und heute Deutsches Symphonie- Orchester Berlin heißt, bis heute verpflichtet.