Eberhard Wangemann

Der Veteran

Eberhard Wangemann. Foto: Jörg Brüggemann
Eberhard Wangemann. Foto: Jörg Brüggemann

»Das Kämpfen um das Weiterbestehen von Orchestern hat es immer gegeben und wird es wohl auch immer geben«, sagt Eberhard Wangemann. In der Silvesternacht 1966 hat er dem DSO das Leben gerettet. Zumindest hat der Geiger und Orchestervorstand des damaligen Radio-Symphonie-Orchesters Berlin dabei geholfen, den Klangkörper auf finanziell sichere Beine zu stellen und den damaligen Geschäftsführer mit Argumenten für eine bevorstehende Pressekonferenz versorgt. »Mir ist es immer wichtig gewesen, alle Interessenten an einen Tisch zu bekommen und zu einer Einigung zu finden.« Die Argumente, die er damals anführte, klingen wie heute ausgesprochen: Verdienste um die Aufführung großer Werke, große Namen von Dirigent-, Komponist- und Solist*innen, die das Ensemble schon eingeladen hat.

»Das Kämpfen um das Weiterbestehen von Orchestern hat es immer gegeben und wird es wohl immer geben.«

Eberhard Wangemann

Eine »Krise«, in der sich die deutsche Orchesterlandschaft befinde, die Verpflichtung gegenüber dem Musikernachwuchs. Schon damals galt: Man muss die Relevanz und den Reichtum der Musik und Musikschaffender von Zeit zu Zeit betonen. »Wichtiger war es für mich aber, gut mit den Kapellmeistern, Gastdirigenten, Solisten und all den Komponisten zurechtzukommen.«

Heute ist Wangemann 101 Jahre alt. Seinen Erinnerungen zuzuhören, ist wie in einem Hochglanzalbum zu blättern. Eine unvergessliche ›Lucia di Lammermoor‹ mit der Callas. Ein Fernsehkonzert mit Yehudi Menuhin in London, »wo sie in der Fernsehtechnik schon viel weiter waren als in Deutschland.« Ferenc Fricsay, der viel von seinen Probenbesuchen bei Bartók und Kodály als Student in Ungarn erzählen konnte. Lorin Maazel, in dessen Probe einmal so schlechte Stimmung herrschte, dass Wangemann im Namen des Orchesters empfahl, eine Pause zu machen. Maazel schnappte nicht nur frische Luft, er verschwand ganz. Für ein paar Stunden dräute ein außenpolitischer Skandal: Amerikanischer Dirigent verlässt Westberlin! Doch das Konzert am Abend dirigierte Maazel, als sei nichts gewesen. Einen Cognac hätten ihm seine Kollegen hinter der Bühne gereicht, erzählt Wangemann. Auf den Schrecken und als Anerkennung, denn er hatte die richtigen Worte zur rechten Zeit gefunden – wie so oft hatte er Langmut im Sinne der Kunst bewiesen.

Auch bei der Wahl des nächsten Chefdirigenten setzte Wangemann sich damit durch, lehnte »bequeme Kapellmeister« ab. Das DSO habe immer künstlerische Leiter verlangt, die da anfingen, wo andere aufhörten. »Wir wollten uns ruhig zwiebeln lassen, aber wirklich alle Möglichkeiten des Klangs ausschöpfen.« An diesem Ideal des Orchesters hat sich bis heute nichts geändert. Das Verdienst von Eberhard Wangemann ist den Musikerinnen und Musikern des DSO immer noch bewusst. Zu seinem 100. Geburtstag sagte Eve Wickert, die heutige Orchestervorständin: »Nicht alle von uns kennen Sie noch aus Ihrer aktiven Zeit als Geiger. Aber wenn Sie im Konzert sitzen, dann spüren wir es, denn es verbindet die jungen Musikerinnen und Musiker mit der Geschichte des Orchesters.«

Eberhard Wangemann war 1955-1985 Orchestermitglied als Geiger und ist seit 1985 Ehrenmitglied des Orchesters.