19.12.1950

Otto Klemperer beim DSO

Otto Klemperer, Foto im Programmheft, 1950er-Jahre. Foto: Archiv DSO
Otto Klemperer, Foto im Programmheft, 1950er-Jahre. Abbildung: Archiv DSO

Wenige Tage vor Weihnachten 1950 hatte sich das DSO, das damals noch RIAS-Symphonie-Orchester hieß, für Schallplattenaufnahmen in der Dahlemer Jesus-Christus-Kirche mit ihrer phänomenalen Akustik eingerichtet. Auf den Pulten lag Mozart – die ›Don Giovanni‹-Ouvertüre, eine Serenade, drei Symphonien –, vor dem Orchester stand erstmals Otto Klemperer.

Der Dirigent konnte damals, mit 65 Jahren, schon auf ein bewegtes Leben zurückblicken: Geboren in Breslau, ausgebildet in Berlin bei Pfitzner, gefördert von Mahler, hatte er die klassische Kapellmeisterlaufbahn angetreten, an Stadttheatern in Hamburg und Straßburg dirigiert, war GMD in Köln und Wiesbaden, wurde schließlich Direktor und musikalischer Leiter der Krolloper in Berlin, wo er zwischen 1927 und 1931 mit auf­sehen­er­re­gen­den Uraufführungen und Neuinszenierungen das Haus zum Tempel der Opernavantgarde machte.

Als »Kulturbolschewist« und Jude von den Nationalsozialisten vertrieben, ging er im Herbst 1933 als Music Director zum Los Angeles Philharmonic. Nach dem Krieg stand er zunächst der Ungarischen Staatsoper, dann dem Orchestre symphonique de Montréal vor, bevor er sich 1954 in Zürich niederließ. In den Fünfzigerjahren arbeitete er mehrfach mit dem DSO zusammen. Auf die Mozart-Aufnahmen folgte im Februar 1954 das erste gemeinsame Konzert im Titania-Palast, einem großen Kino an der Steglitzer Schloßstraße, das den Krieg fast unbeschadet überstanden hatte und nun als Zentrum des wiederauflebenden Berliner Kulturlebens fungierte. An den Anfang, vor Beethovens Drittes Klavierkonzert (Solist: Hans Erich Riebensahm) und dessen ›Pastorale‹ stellte er Hindemiths Ballettsuite ›Noblissima Visione‹ von 1939 – und trug sich im Anschluss in die Autogrammbücher ein, die der Cellist Heinrich Köhler für das Orchester führte.

Ein weiterer Eintrag, gemeinsam mit der Sopranistin Elfriede Trötschel, stammt aus dem Februar 1956, als Klemperer mit Haydns Symphonie Nr. 101 ›Die Uhr‹ und Mahlers Vierter zum Orchester zurückkehrte. Im Januar 1957 folgten zwei Konzerte mit Mozarts Symphonie Nr. 40 KV 550, Strauss’ ›Till Eulenspiegel‹ und der Zweiten von Brahms. Sein letztes DSO-Gastspiel, das er im März und April 1958 im Konzertsaal an der Hardenbergstraße dirigierte, war ausschließlich Beethoven, der ›Egmont‹-Ouvertüre, der Zweiten und der Dritten Symphonie gewidmet. 1959 ging Klemperer dann als Chefdirigent zum Philharmonia Orchestra nach London, das er bis 1971, zwei Jahre vor seinem Tod, leitete.

Eine CD-Box, die 2013 bei audite erschienen ist, macht die Studioaufnahmen und Konzertmitschnitte mit dem DSO aus den Jahren 1950 bis 1958 wieder zugänglich und erlaubt die Wiederbegegnung mit einem der großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts.