28.9.1959

Stereophonie: Raumklang am Puls der Zeit

Programmheft zum ersten Stereo-Konzert im deutschen Fernsehen vom 13. September 1981 mit Christoph von Dohnányi und Martha Argerich. Liveübertragung des ZDF aus dem Theater des Westens anlässlich der Funkausstellung. Abbildung: Archiv DSO
Programmheft zum ersten Stereo-Konzert im deutschen Fernsehen vom 13. September 1981 mit Christoph von Dohnányi und Martha Argerich. Liveübertragung des ZDF aus dem Theater des Westens anlässlich der Funkausstellung. Abbildung: Archiv DSO

Als 1958 die ersten Stereo-Schallplatten auf den Markt kommen, ist das DSO sofort dabei, unter anderem mit Strawinskys ›Feuervogel‹-Suite mit Lorin Maazel bei Decca (USA, 1958) oder Mozarts ›Don Giovanni‹ unter Ferenc Fricsay bei der Deutschen Grammophon (Deutschland, 1959). Das ist so weit nicht ungewöhnlich, die gesamte Musikwelt bedient sich rasch der neuen Technologie, die der Tonaufzeichnung erstmals räumliche Dimension verleiht. Im Radio hat es der Wunderklang zunächst schwer. Der Sender Freies Berlin (SFB), der das frisch renovierte Haus des Rundfunks mit neuester Technik ausstatten kann, leistet hierzulande Pionierarbeit und strahlt ab 1958 Testsendungen aus. Das Verfahren wirkt heute kurios: SFB 1 überträgt den linken, SFB 2 den rechten Kanal, und wer den vollen Effekt genießen will, muss sich zwei Radioapparate aufstellen.

Zur Eröffnung des renovierten Sendesaals am 28. September 1959 gestaltet das DSO das bundesweit erste stereophone Livekonzert; Ferenc Fricsay dirigiert Mozarts Große c-Moll-Messe und Kodálys ›Psalmus Hungaricus‹. Einfacher wird es zur Funkausstellung 1963, als die FM-Stereophonie, die nur noch einen Empfänger benötigt, die Radiozukunft einläutet. Während die Industrie in den Messehallen ihre Geräte präsentiert, sendet der SFB von der anderen Straßenseite. Zu den Highlights gehört das erste Livekonzert nach dem neuen Verfahren am 30. August – wieder mit dem DSO, mit Wolfgang Sawallisch, der Sopranistin Grace Bumbry und Opernarien sowie Strauss’ ›Don Juan‹ und Schumanns Vierter Symphonie.

Bereits zwei Jahre später sendet man durchgängig stereo und hat damit die neue Fernsehkonkurrenz zumindest akustisch abgehängt. Erst zur Funkausstellung 1981 zieht das ZDF nach, und auch dieses Mal ist das DSO dabei, gibt bei einer Liveübertragung aus dem Theater des Westens das erste Stereokonzert im deutschen Fernsehen. Christoph von Dohnányi dirigiert die Achte Symphonie von Dvořák, und im Ersten Klavierkonzert von Liszt kann man die große Martha Argerich erstmals gemeinsam mit dem Orchester erleben. Technologisch passiert danach einiges: Die digitale Revolution bringt 1982 die CD, Rauschfreiheit und eine Flut von Veröffentlichungen. Surround-Sound in den 90er- und 3D-Fernsehen in den 2010er-Jahren werden gehypt und wieder fallen gelassen. Musikhören ist für viele inzwischen ein mobiles Vergnügen, das Streamingangebot wichtiger als Equipment oder High-Fidelity. Manche mögen das bedauern. Doch mit seinen Onlineformaten, Konzertfilmen und flexiblen Hörangeboten hat das DSO neue Möglichkeiten für den Austausch mit seinem Publikum gefunden. Und Livemusik ist schließlich durch nichts zu ersetzen!